Du bist nicht verrückt ...

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Wir bemühen uns in unserem Leben immer, als normal hinzustellen, weil normal eben normal ist, die Norm. Doch wer legt diese Norm fest? Die Gesellschaft. Und wer ist diese Gesellschaft? Die Mehrheit. Natürlich leben wir in einer Demokratie – doch das bedeutet auch nur, dass die Mehrheit über die Minderheit herrscht und nicht, wie bei einer Diktatur, eine Minderheit über die Mehrheit.

Eine Norm wird immer festgelegt, eine Art Mittelwert zwischen Richtig und Falsch – aber eben auch meist nur eine Art. Alles andere ist nicht normal: Verrückt. Alles Lebendige ist aber nicht normal, es ist Bewegung, Rhythmus, manchmal auch Chaos, Vernichtung. Das Leben an sich ist weder gut noch böse, noch, und das ganz bestimmt nicht: Immer sanft und ganz normal dahinplätschernd. Normal ist ziemlich langweilig und tötet eine wichtige Kraft in uns:

Die Kreativität und den Mut, den Mut etwas anders zu tun.

Anders sein bedeutet verrückt zu sein und verrückt ist Leben. Doch wie lebt man damit?

Wie lebt man damit, wenn man neben dem alltäglichen auch Dinge wahrnimmt, die eben nicht jeder sieht? Wie lebt man damit, wenn man Vorahnungen hat und sich diese auch noch als richtig erweisen? Wie lebt man damit, wenn man einen großen Teil seines Wissens aus Quellen bezieht, die man nicht belegen kann, welches sich aber trotzdem als richtig herausstellt? Wie lebt man, wenn man anders ist?

Wie lebt man verrückt?

Die meisten Menschen versuchen dieses "nicht der Norm entsprechende" zu unterdrücken und nicht an die sichtbare Oberfläche der gesellschaftlichen Hülle kommen zu lassen, und sie verlieren immer mehr von ihrer Kraft, ihrer Lebenskraft.
Wir behandeln uns selbst wie Eltern ihre kleinen Kinder: Wir verbieten uns zu leben, weil man das so nicht macht. Sehr weise ist dieser Umgang mit uns selbst nicht.
Alles, was zurückgedrängt wird, bricht sich eines Tages seine eigenen Bahnen. Wir können den Fluss unserer Lebenskraft nicht hinter einem Staudamm bannen, der Damm bricht eines Tages und dann sind wir möglicherweise reif für die Psychiatrie, denn die Kraft, die sich da ihren Weg bahnt, ist so chaotisch und ungebremst, dass wir nun wirklich nicht mehr damit umgehen können. Wären wir vorher nicht so pseudonormal und angepasst gewesen, der Dammbruch hätte verhindert werden können. So richtet sich die angestaute Lebenskraft langsam aber sich gegen uns selbst.

Nicht jeder Mensch hat die Möglichkeit, seine in ihm schlummernden Kräfte durch Kreativität auszuleben – die Kunst ist schließlich ein anerkannt verrückter Bereich und man muss darinnen nicht so normal sein, aber es gibt noch viele andere Möglichkeiten, die sprudelnden Quellen in sich in Bewegung zu halten. Manchmal müssen sie auch erst wieder lebendig gemacht werden – zu lange Unterdrückung verdreckt den Lebensfluss. Doch keine Bange, das wird sehr schnell wieder. Man muss manchmal nur richtig durchspülen.

Wann hast Du das letzte Mal Unsinn wie ein Kind gemacht?
Wann hast Du zum letzten Mal einfach nichts gemacht?
Wann hast Du zum letzten Mal das gemacht, was Du wirklich wolltest in diesem Moment?
Wann hast Du zum letzten Mal geschrien? Wann gelacht? Wirklich gelacht, so gelacht, dass das Lachen sich nicht mehr aufhalten ließ?
Wann hattest Du das letzte Mal Sex, sodass es keine Umwelt mehr gab, sondern nur Dich und Deinen Partner?
Wann hast Du das letzte Mal die Kontrolle abgegeben?

Gehe vorsichtig und liebevoll mit Dir um. Gehe, wenn es geht, diesen Weg nicht allein, es ist immer gut, wenn man einen Begleiter an seiner Seite hat – es macht den Weg ein bisschen leichter. Freileben musst Du Dich erst einmal allein, doch mit zunehmender Sicherheit kannst Du auch andere Menschen hinzunehmen und dann entstehen sehr schöne und bereichernde Momente. Überfordere Dich nicht. Der Damm wurde über Jahre aufgebaut, die Kontrollinstanzen sind gut geschult – es braucht seine Zeit! Und Du brauchst diese Zeit!

Dann eines Tages kommt sie … die Kraft … sie ist wieder da und Deine Angst kann gehen.

(2007)

Igor Warneck

Igor Warneck

Schreiben gehört seit meinem dreizehnten Lebensjahr zu mir. In der Zwischenzeit habe ich einige Bücher veröffentlicht, dann auch mal die Lust an dem Ganzen verloren und jetzt wiedergefunden.

Fotografie ist für mich das entdecken des Verborgenen, um es für meine Mitmenschen sichtbar und auffindbar zu machen.

Mein Ziel: Kreativität statt Rente – denn von der kann ich als lebenslang Selbständiger nichts erwarten. Dem Sozialstaat will ich nicht zur Last fallen und verzichte daher auf das was mir zustehen würde aus freien Stücken.

Lieber schreibe ich Texte für die Gemeinschaft – zur Unterhaltung, zum Nachdenken und gegen so manch alltäglichen Wahnsinn.

Ein Dasein als Lebenskünstler ist möglich – ich lebe es seit vielen Jahren. Wenn Du das unterstützenswert findest, kannst Du unter dem Link mehr darüber erfahren:

[Möglichkeiten der Unterstützung]

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