Gedicht: Die Verabredung

von

 

Als sich der Traum bildete
Aus den Worten die nicht gesprochen
In der Zeit die es damals nicht für uns gab
Ergab sich das Fühlen
Welches alle Farben des Lebens uns lehrte

Wir schauten zu den kreisenden Sternen
Konnten nicht denken
Folgten nur ihrem dauernden Lauf

Sahen Wesen, Wetter und Gewalten
Waren Wesen, Wetter und Gewalten
Und wussten nichts. Wir waren:

Das, was wir sind.

Unsterblich.
Hüter der Erde.

Die ganz Alten
Nahmen uns in ihren Kreis
Und zogen ihn fest
Gefeit gegen alles Übel
Dem wir begegnen sollten

Sie sprachen:
Der Kreis ist fest
Und ihr seid berufen

Kunde zu tun von unserem Land

Welch Ehre. Danke Ihr Alten!

Sie schüttelten ihre Köpfe und ihre Haare wogten wie die Gräser im Wind

 

Es ist keine Ehre. Es ist eine Aufgabe.
Ihr werdet zu Menschen unter Menschen berufen
Aber Ihr werdet Euch erinnern können

An unseren Kreis
Und Euer Land

Tiefe Traurigkeit wird Euch ergreifen
Die ihr noch nie erleiden musstet
Eure Kraft wird Euch helfen
Und zu Anderen machen

Ihr werdet nie Ihresgleichen sein
Ihr werdet die Anderen sein – immer

Verfolgt
Gehasst
Missachtet
Ihr seid die Wurzeln der Erde und des Lebens

Verlieren werdet Ihr Euch, in den Gedanken der Menschen
Und in den Menschen
Und Euch mehr als einmal nach Hause sehnen
In die Welt des Seins – dem Quell allen Lebens
Ohne Oben und Unten
Ohne Urteil und Moral

Ihr werdet einsam sein

 

Wir begannen zu empfinden
Die Alten sandten uns Bilder
Von Angst
Von Getrenntsein
Von Ende und Tod

Uns wurde ganz anders – Uns wurde bewußt

Zitternd nahmen wir uns an den Händen
Umschlangen uns fest

Was ist das?
Fragten wir vorsichtig

Das ist die Welt der Menschen,
sagten die Alten

und wie sie uns so sahen
zogen sie den Kreis noch fester
nahmen ein Band und banden uns
„Damit Ihr Euch halten könnt“

 

Legten Erinnerung in unser Herz
Verzweiten das Band
Und trennten uns

 

Schreiend begegneten wir dem harten Licht der Menschenwelt

Verloren, doch wissend
Von Traurigkeit erfüllt, doch fröhlich
Von Hass umgeben, doch liebend
Von Liebe durchdrungen, doch abgelehnt
Vom Leben erfüllt, dem Tod begegnend

Und diese Zeit
Diese komische Zeit
So fern unseres Seins

Wir banden uns
An Menschen um sie zu lieben
Und wurden verlassen
Meist innerlich, oft äußerlich
Und wir begannen zu verstehen
Unter Schmerzen, unter großen Schmerzen
Wie konnte das nur sein?

Wie konnten Menschen sich nur solche Schmerzen zufügen
Und mit sich selbst dem ganzen Leben
Als wären sie verloren gegangen
Hätten kein Band, keine Erinnerung

Keine Wurzeln und keine Zeit
Nur sich, immer nur sich

Warum flohen sie uns?

Wenige kamen
Stellten sich mit in den Kreis
Den wir erinnernd bildeten

Versuchten zu verstehen
Was nicht zu verstehen ist
Und redeten immer von Liebe

Wir fühlten sie und erinnerten uns

Das Land schüttelte seinen Kopf und die Haare wiegten sich wie Gräser im Wind

 

Sie werden nie verstehen
Sie werden nie verstehen

 

Wir suchten uns
In vielen Menschen
Fanden Erinnerungen
Und Glanz
Dessen was wir erkannten
Und wurden gebunden
Und konnten dies doch nicht
Bei aller Liebe

Bei aller Liebe
Stutzten sie uns immer wieder die Flügel
Mit ihren Gedanken
Und wir begannen zu denken
Und waren gefangen

 

Lange Zeit verging
Und der Menschen Zeit
Ist ein zähes Geschöpf

Ihre Gedanken fingen uns immer wieder ein
Bis wir aufgaben
Sehnsüchtig in die Sterne und das Land schauten
Nur noch zu warten schienen
Das diese Reise endlich sei

 

Als wir aufgaben
Kamen wir an
Zu uns und in uns

Und begannen zu verstehen
Warum Menschen so sind
Und sich und uns
Derart unsäglichen Schmerz zufügten

Es beutelte uns

 

Wir fanden unsere Bänder
Verwoben sie
Verwebten uns
Verwoben das Leben
Und der Kreis der Alten
Erstrahlte unsterblich

Erst flackernd
Dann hell erzuckend
Dann immerdar leuchtend

Seit dem sind wir hier
Wenn auch lange schon da
Und sind auch Anderswo
Um die einst getrennten Welten
Wieder zu vereinen.

 

 

© Igor Warneck – 30. Juni 2014

ZeichnungPagePilgrim@troet.cafe 2023

Igor Warneck

Igor Warneck

Schreiben gehört seit meinem dreizehnten Lebensjahr zu mir. In der Zwischenzeit habe ich einige Bücher veröffentlicht, dann auch mal die Lust an dem Ganzen verloren und jetzt wiedergefunden.

Fotografie ist für mich das entdecken des Verborgenen, um es für meine Mitmenschen sichtbar und auffindbar zu machen.

Mein Ziel: Kreativität statt Rente – denn von der kann ich als lebenslang Selbständiger nichts erwarten. Dem Sozialstaat will ich nicht zur Last fallen und verzichte daher auf das was mir zustehen würde aus freien Stücken.

Lieber schreibe ich Texte für die Gemeinschaft – zur Unterhaltung, zum Nachdenken und gegen so manch alltäglichen Wahnsinn.

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