Gedicht: Die Verabredung
von Igor Warneck
Als sich der Traum bildete
Aus den Worten die nicht gesprochen
In der Zeit die es damals nicht für uns gab
Ergab sich das Fühlen
Welches alle Farben des Lebens uns lehrte
Wir schauten zu den kreisenden Sternen
Konnten nicht denken
Folgten nur ihrem dauernden Lauf
Sahen Wesen, Wetter und Gewalten
Waren Wesen, Wetter und Gewalten
Und wussten nichts. Wir waren:
Das, was wir sind.
Unsterblich.
Hüter der Erde.
Die ganz Alten
Nahmen uns in ihren Kreis
Und zogen ihn fest
Gefeit gegen alles Übel
Dem wir begegnen sollten
Sie sprachen:
Der Kreis ist fest
Und ihr seid berufen
Kunde zu tun von unserem Land
Welch Ehre. Danke Ihr Alten!
Sie schüttelten ihre Köpfe und ihre Haare wogten wie die Gräser im Wind
Es ist keine Ehre. Es ist eine Aufgabe.
Ihr werdet zu Menschen unter Menschen berufen
Aber Ihr werdet Euch erinnern können
An unseren Kreis
Und Euer Land
Tiefe Traurigkeit wird Euch ergreifen
Die ihr noch nie erleiden musstet
Eure Kraft wird Euch helfen
Und zu Anderen machen
Ihr werdet nie Ihresgleichen sein
Ihr werdet die Anderen sein – immer
Verfolgt
Gehasst
Missachtet
Ihr seid die Wurzeln der Erde und des Lebens
Verlieren werdet Ihr Euch, in den Gedanken der Menschen
Und in den Menschen
Und Euch mehr als einmal nach Hause sehnen
In die Welt des Seins – dem Quell allen Lebens
Ohne Oben und Unten
Ohne Urteil und Moral
Ihr werdet einsam sein
Wir begannen zu empfinden
Die Alten sandten uns Bilder
Von Angst
Von Getrenntsein
Von Ende und Tod
Uns wurde ganz anders – Uns wurde bewußt
Zitternd nahmen wir uns an den Händen
Umschlangen uns fest
Was ist das?
Fragten wir vorsichtig
Das ist die Welt der Menschen,
sagten die Alten
und wie sie uns so sahen
zogen sie den Kreis noch fester
nahmen ein Band und banden uns
„Damit Ihr Euch halten könnt“
Legten Erinnerung in unser Herz
Verzweiten das Band
Und trennten uns
Schreiend begegneten wir dem harten Licht der Menschenwelt
Verloren, doch wissend
Von Traurigkeit erfüllt, doch fröhlich
Von Hass umgeben, doch liebend
Von Liebe durchdrungen, doch abgelehnt
Vom Leben erfüllt, dem Tod begegnend
Und diese Zeit
Diese komische Zeit
So fern unseres Seins
Wir banden uns
An Menschen um sie zu lieben
Und wurden verlassen
Meist innerlich, oft äußerlich
Und wir begannen zu verstehen
Unter Schmerzen, unter großen Schmerzen
Wie konnte das nur sein?
Wie konnten Menschen sich nur solche Schmerzen zufügen
Und mit sich selbst dem ganzen Leben
Als wären sie verloren gegangen
Hätten kein Band, keine Erinnerung
Keine Wurzeln und keine Zeit
Nur sich, immer nur sich
Warum flohen sie uns?
Wenige kamen
Stellten sich mit in den Kreis
Den wir erinnernd bildeten
Versuchten zu verstehen
Was nicht zu verstehen ist
Und redeten immer von Liebe
Wir fühlten sie und erinnerten uns
Das Land schüttelte seinen Kopf und die Haare wiegten sich wie Gräser im Wind
Sie werden nie verstehen
Sie werden nie verstehen
Wir suchten uns
In vielen Menschen
Fanden Erinnerungen
Und Glanz
Dessen was wir erkannten
Und wurden gebunden
Und konnten dies doch nicht
Bei aller Liebe
Bei aller Liebe
Stutzten sie uns immer wieder die Flügel
Mit ihren Gedanken
Und wir begannen zu denken
Und waren gefangen
Lange Zeit verging
Und der Menschen Zeit
Ist ein zähes Geschöpf
Ihre Gedanken fingen uns immer wieder ein
Bis wir aufgaben
Sehnsüchtig in die Sterne und das Land schauten
Nur noch zu warten schienen
Das diese Reise endlich sei
Als wir aufgaben
Kamen wir an
Zu uns und in uns
Und begannen zu verstehen
Warum Menschen so sind
Und sich und uns
Derart unsäglichen Schmerz zufügten
Es beutelte uns
Wir fanden unsere Bänder
Verwoben sie
Verwebten uns
Verwoben das Leben
Und der Kreis der Alten
Erstrahlte unsterblich
Erst flackernd
Dann hell erzuckend
Dann immerdar leuchtend
Seit dem sind wir hier
Wenn auch lange schon da
Und sind auch Anderswo
Um die einst getrennten Welten
Wieder zu vereinen.
© Igor Warneck – 30. Juni 2014
Zeichnung: PagePilgrim@troet.cafe 2023